Anfang des 17. Jh.,
kurz nach dem Beginn des 30-jährigen Krieg,
kämpfte ein Pfarrer um seinen Zehnt.


Heinz-Toni Dolfen



Im 17. Jh. wurde der Alltag der Bewohner im Rheinland, so auch in Kirdorf, sehr stark von der katholischen Kirche geprägt. Durch die Sendordnung, ein katholisches Regelwerk, wurden Bestimmungen zur geistlichen und sittlichen Haltung und zum Zusammenleben erlassen, die der Pfarrer mit den Sendschöffen (ausgewählte Gemeindemitglieder) vor Ort überwachte.

Der Send ist ein Begriff aus dem Kirchenrecht. Das Sendgericht (auch Sinode) behandelte und rügte die Sünden und Laster der Gemeindemitglieder. Auch in Kirdorf gab es eine Sendordnung. Diese regelte zum Beispiel, dass an allen Sonn- und Feiertagen die Gemeindemitglieder in der Kirdorfer Kirche dem Gottesdienst, unter Strafe von 2 Pfund Wachs, beiwohnen mussten. Und es war wohl eine Gepflogenheit, dass der Pfarrer nach dem Gottesdienst, von der Kanzel den Termin für den Erntebeginn durchgab. Vorher durfte nicht geerntet werden.

Vor Ort war der Pfarrer eine bestimmende Persönlichkeit. In der Gemeinde Kirdorf hatte der Pfarrer auch die Aufgabe die Kinder aus Kirdorf und Blerichen zu unterrichten. Für die Kosten des Unterrichts mussten die Gemeinschaft bzw. die Familien der Schulkinder aufkommen. Ein Gehalt, von welcher Seite auch immer, bekam der Pfarrer nicht. Seine Dienstleistungen mussten extra bezahlt werden. Das Grundeinkommen eines Pfarrers bestand aber aus dem Zehnt. Diejenigen, die eine Pfarrstelle stifteten (einrichteten), besaßen meist große Landflächen, die sie an Bauern verpachteten. Einige dieser Pachtstellen mussten den Zehnt (früher meist zehn Prozent der Erträge) an den Pfarrer abgeben. Somit hatte der Pfarrstifter dem Pfarrer ein Grundeinkommen gesichert.

Die Kirdorfer Bauern mussten einen Teil ihrer Ernte, den Zehnt, an den hiesigen Pfarrer abgeben. Anscheinend war es hier so geregelt, dass der Pfarrer von den Bauern gesagt bekam wo sein Zehnt auf dem Feld stand. Ernten durfte er anscheinend selber, wie sich zeigen sollte.

Im Jahr 1623 war Johann Reckum der zuständige Pfarrer in Kirdorf. Bereits seit Jahren hatte er sich beschwert. Anfangs mit mahnenden Worten und wahrscheinlich später etwas eindringlicher von der Kanzel aus. Der Grund lag in seinem Zehnt. Die Bauern säten und ernteten mühsam ihr Angebautes. Nachdem sie die Ernte eingeholt hatten, überließen sie dem Pfarrer auf einem Feldstück seine Ernte. Dabei waren sie so schlitzohrig, dem Pfarrer, den Rest des Feldstücks zu überlassen, was von geringerer Qualität und Ertrag war und was sie am meisten verschmerzen konnten. Das Fass war in diesem Jahr nunmehr übergelaufen und Reckum wollte jetzt endlich handeln, schließlich hatte er ja lange genug auf Einsicht gehofft.


Pferdekarren
Am 16. Juli war es denn so weit. Morgens gegen acht Uhr hörten die erstaunten Kirdorfer einen Pferdekarren durch den Ort fahren. Dieser war hoch beladen mit Getreide. Das erstaunte die Kirdorfer umso mehr, als der Pfarrer den Ernteanfang noch nicht verkündet hatte und somit eigentlich keiner ernten durfte. Wer war nun derjenige, der gegen die Regel verstieß?

Hoch auf dem Karren saß der Pfarrer Reckum. Er hatte seinen Zehnt diesmal selber ausgesucht, geerntet und brachte nun seine Beute, zum Erstaunen der verdutzten Kirdorfer, nach Bedburg.

Am nächsten Morgen, in der Kirche, hofften alle Kirchgänger etwas Näheres über diese Aktion zu erfahren. Wohlgelaunt und in knappen Worten verkündete er nun den Anwesenden, es könne ab sofort mit der Ernte begonnen werden.



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