Bedburgs Brückenheiliger Nepomuk
Die Johannisbrücke ist eine der wichtigsten Brücken des 17. und 18. Jahrhunderts in Bedburg. Ohne sie konnte man die Erft innerhalb der Stadt nicht trockenen Fußes und ohne Umwege überqueren. 1764 erhielt sie einen besonderen Schmuck: eine Sandsteinfigur, des heiligen Johannes Nepomuk. Dieser böhmische Priester, der als Märtyrer in der Moldau ertränkt wurde, gilt als Schutzpatron der Brücken. Er hieß eigentlich Johannes Welflin (Wolfflin) und stammte aus Westböhmen.
Doch der Zahn der Zeit nagte an dem steinernen Heiligen. Eine Sandsteinfigur ist immer sehr anfällig für Witterungs- und andere Einflüsse. Nach fast zwei Jahrhunderten kann der Zustand dieses weichen Steins nicht der beste gewesen sein. Vielleicht war sie auch schon mehrfach restauriert worden.
Wir schreiben das Jahr 1951 und erfahren, dass es um diese Figur nicht gerade rosig bestellt war. Die Stadt Bedburg hatte das anscheinend bemerkt und engagierte kurzerhand den Architekten Hubert Hüren aus Horrem, um mal den Zustand zu checken und zu schauen, was man da noch retten kann. Der Horremer Architekt war kein Unbekannter, denn er hatte für die Stadt bereits eine Schule in Buchholz geplant. Hüren ging die Sache professionell an und holte sich den Kölner Bildhauer L. v. Solodkoff ins Boot, der die Figur mal genauer unter die Lupe nehmen sollte. Und was Solodkoff dann feststellte, war alles andere als erfreulich. Die Statue befand sich in einem
„vorgeschrittenem Verwitterungszustand“ so schrieb er. Aber es kam noch schlimmer: Laut Solodkoff verschlimmerte
"jede Erschütterung der vorbeifahrenden Autos" die Situation noch weiter und gefährdete die Standfestigkeit der Figur erheblich. Eine Restaurierung hielt er für ein riskantes Unterfangen und kam zu dem Schluss, dass es das Beste wäre, die Statue komplett durch eine neue aus Muschelkalk zu ersetzen. Tja, manchmal muss man eben radikale Entscheidungen treffen!
Man holte Angebote für eine Restaurierung ein. Aber was geschah dann? Offensichtlich nichts, die geäußerten Gefahren wurden augenscheinlich verdrängt. Vier lange Jahre vergingen, bis man sich wieder daran erinnerte, dass da ja noch was zu tun war. Im Oktober 1955 wurde die Restaurierung der Statue im Hauptausschuss der Stadt wieder thematisiert. Dabei erkannte man, dass bereits 1951 Angebote für die Restaurierung eingeholt worden waren. Aber eine gute bewährte Taktik ist erneut ein Gutachten einzuholen. Diesmal soll der Bildhauer Flohr eine Expertise über die Instandsetzung und Erneuerung der Figur erstellen. Bei dem Bildhauer Flohr dürfte es sich vermutlich um den Begründer der
"Hermülheimer Grabsteine" handeln.
Monate später kam man aufgrund des Gutachtens zu dem Schluss, dass eine Restaurierung nicht sinnvoll sei. Für die Erneuerung der Figur lagen Angebote zwischen 2.350 DM und 2.996 DM vor. In der Sitzung des Hauptausschusses am 10. Februar 1956 kam nun der große Tag für die Statue, der Erneuerung der Statue wurde zugestimmt. Dem Ausschuss lagen Skizzen vor und man wollte nun von den anbietenden Firmen noch Modelle haben. Aber wer dachte, jetzt geht es nun zügig weiter, der irrt, die Zeit muss halt reifen.
Ausgerechnet Instandsetzungsarbeiten im Jahr 1958 am Haus von Dr. Zier in der Graf-Salm-Straße 31, der bei den Karnevalsvereinen bestens bekannt war, brachten das Thema wieder auf die Tagesordnung. Dieses Haus stand sozusagen Tür an Tür mit unserem Nepomuk. Und nun wurde es brenzlig: Man befürchtete, dass herabfallende Putzteile unseren ohnehin schon angeschlagenen Heiligen endgültig ins Jenseits befördern könnten. Bei genauerem Hinsehen stellte sich heraus, dass der Arme seinen linken Arm schon vor den Arbeiten am Haus verloren hatte. Der Hausbesitzer machte sich offenbar Sorgen um sein frisch herausgeputztes Häuschen. Er befürchtete wohl, dass die ramponierte Figur nicht mehr zu seiner schicken Fassade passen würde. Eine nagelneue Skulptur sollte deshalb her!
Schon 1951 hatte man festgestellt, dass unser armer Heiliger nicht mehr zu retten war. Sieben lange Jahre vergingen, und die Verwaltung grübelte immer noch, ob man ihn nun flicken oder gleich komplett austauschen sollte. Dieses ewige Hin und Her zeigt ja deutlich, dass unser Nepomuk bei den Stadtoberen nicht gerade ganz oben auf der Prioritätenliste stand. Aber der wahre Grund für das Trödeln war vermutlich der alte Bekannte: kein Geld in der Stadtkasse! Da musste man sich was einfallen lassen. Und was macht man, man geht auf Sponsorensuche! In der Tat es wurden Sponsoren für dieses Projekt gesucht. Im November 1958 sprach die Verwaltung mit der Gewerkschaft Roddergrube über eine finanzielle Beteiligung. Die Roddergrube, später Braunkohlen- und Briketwerke Roddergrube AG, betrieb von Brühl aus den Abbau von Braunkohle für Briketts. Deren Direktor Oppenberg ließ sich nicht zur Übernahme der gesamten Kosten bewegen, sagte aber eine Teilübernahme zu.
In der Ratssitzung vom 16. Februar 1959 konnte der Auftrag schließlich vergeben werden. Es galt, aus den Angeboten der Bildhauer Geuer, Flohr, Meinardus, Simon und Schmitz-Wickermann einen geeigneten Anbieter auszuwählen. Den Zuschlag erhielt die Firma Geuer aus Grevenbroich. Es sollte eine Figur in den Maßen 40 x 40 x 158 cm aus Muschelkalk zum Preis von 1.648 DM zuzüglich Transportkosten angefertigt werden. Außerdem sollte die Verwaltung mit der Roddergrube Kontakt aufnehmen, um deren Beteiligungshöhe zu klären.
Die Firma Geuer hat den Auftrag an den Unterauftragnehmer W. Thrust K.G. in Balduinstein/Lahn vergeben. Dieser fertigte die neue Figur an. Die Rundschau berichtet, dass am Montag, den 29.06.1959 die Figur durch den Steinmetz Michael Geuer und Hans Romberg aufgestellt wurde. Sie erwähnte, dass die 195 Jahre alte Figur auf Wunsch des Landeskonservators zunächst abgebaut und erstmal ins Exil geschickt werden sollte. Das Feuerwehrgerätehaus wurde nun das neue Zuhause. Die alte Sandsteinfigur bestand zwischenzeitlich aus drei Teilen.
Im Juli desselben Jahres berichtete der Kölner Stadtanzeiger über diese Aktion, die in einer Aktennotiz der Stadt festgehalten wurde:
„Im letzten Absatz dieses Berichtes wird erwähnt, dass unter der Bevölkerung die Auffassung vertreten würde, als ob die alte Figur noch reparabel gewesen sei und die Kosten für die Ersatzgestellung hätten erspart werden können. Bei dieser Ansicht kann es sich nur um Einzelmeinungen handeln.“
Wie man es auch macht, es kann nur verkehrt sein.
Skizze aus dem Jahr 1959, © Stadtarchiv Bedburg
Es ist schon erstaunlich, wie lange sich solche Entscheidungsprozesse hinziehen können, besonders wenn es um den Erhalt von Kulturgut geht. Nepomuk ist ein Beispiel dafür, wie kompliziert der Erhalt von Kulturgut sein kann, wenn Verwaltung, Geldmangel und öffentliche Meinung aufeinanderprallen. Hoffentlich hält unser Nepomuk noch lange durch, sonst …
Quellen: Stadtarchiv Bedburg, Rundschau, Kölner Stadt-Anzeiger
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