Gräfin Ricarda
und der Kasterer Ricarda Markt
Der Arbeitskreis Altstadt Kaster e.V. veranstaltet auch in diesem Juli wieder den Ricarda-Markt im geschichtsträchtigen Teil von Kaster. Dieser lockt regelmäßig tausende Besucher in die historische Altstadt. Doch nur wenige kennen die Namensgeberin des Marktes.
Die Geschichte beginnt im 13. Jahrhundert, und wie es bei vielen Ereignissen der Fall ist, gibt es eine Vorgeschichte. Kaster besteht nur aus der Burg und der Vorburg. Die Häuser der Bewohner liegen verstreut, vor allem im Bereich Tiergarten, Omagen und Stertzheim. Um 1260-1270 kam Kaster unter die Herrschaft des Grafen Wilhelm IV. von Jülich. Mit ihm und dem allgemeinen Trend zur Entwicklung einer „Städtepolitik“ erhielt Kaster als Ort einen Aufschwung. Die Vorburg wurde erweitert und bot Platz für mehr Einwohner. Wahrscheinlich wurden Bürger aus dem Bereich Tiergarten, Omagen und Stertzheim nach Kaster umgesiedelt. Von den Ortschaften Omagen und Stertzheim blieben nur Höfe übrig, die Häuser im Tiergarten verschwanden ganz.
Die Jülicher bauten ihr Gebiet konsequent aus. Dies war nicht im Sinne des Erzbischofs von Köln, dem mächtigsten Herrscher am Niederrhein. König Rudolf von Habsburg erwarb 1273 Kaster und gab es als Reichslehen an Wilhelm IV. zurück. Man vermutet, dass dies für Wilhelm IV. eine Art Rückversicherung gegen die Begehrlichkeiten des Kölner Erzbischofs war.
Wahrscheinlich wollte Wilhelm IV. für König Rudolf von Habsburg Geld für den Krieg sammeln und erschien am 16. März 1278 mit einem Trupp Bewaffneter und seinen beiden ältesten Söhnen in Aachen. Die Sache eskalierte schließlich, es kam zum Streit, weil Aachen teilweise Steuerfreiheit genoss und zudem lag Jülich mit Aachen in Fehde, die allerdings zu diesem Zeitpunkt ruhte. Wohl vor dem Weißfrauenkloster in der Jakobstraße wurde der 70-jährige Wilhelm mit seinen Söhnen und zahlreichen Begleitern von Aachener Bürgern erschlagen. Die Legende spricht von einem Schmied, aber auch von einem Metzger, der mit Messer und Axt umgehen konnte; die Todesumstände bleiben ungeklärt.
Denkmal des Wehrhaften Schmieds in Aachen © Wikimedia, Foto Nobert Schnitzler
Nun betritt Ricarda die Bühne der Geschichte. Als Ehefrau und Witwe Wilhelms IV. steht sie mit ihren unmündigen Söhnen und Töchtern allein an der Spitze des Jülicher Territoriums. Ricarda stammt aus dem einflussreichen Haus Geldern und ist die Tochter des Grafen Gerhard IV. von Geldern und Margareta von Brabant. Vier oder fünf Söhne und fünf oder sechs Töchter sind aus dieser Ehe bekannt. Die Familie hatte ihren Sitz auf der schwer einnehmbaren Burg Nideggen, in Köln besaßen sie seit 1265 den Parfusenhof auf dem Berlich. Dieser Hof wurde 1268 in der Kölner Fehde zwischen den „Overstolzen“ und den „Weisen“ niedergebrannt. Ihr Mann soll bereits mit Ricardas Schwester Margareta verheiratet gewesen sein, wahrscheinlicher ist jedoch, dass sie nicht geheiratet, sondern sich nur 1236 verlobt haben, eine Heirat also nicht zustande kam.
Ricarda, ein spanisch-portugiesischer Name, ist seit dem 10. Jahrhundert als katholische Heilige (Gemahlin Karls III.) bekannt. Sie muss nun unter Beweis stellen, ob sie in der Lage ist, ihre Söhne an der Macht zu halten und sich gegen den Jülicher Adel zu behaupten und diesen auf ihre Seite zu ziehen.
Im Reich Wilhelms IV. entstand ein Machtvakuum, das der Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg sofort zu nutzen wusste: Er fiel mit seinen Truppen ins Jülicher Land ein und eroberte und zerstörte die Burg Kaster, wobei vermutlich auch die Häuser der angrenzenden Bewohner verwüstet wurden. Auch die Bedburger Burg wurde erheblich beschädigt. Ricarda saß auf ihrer Burg in Nideggen, diese konnte nicht eingenommen werden, und musste mit ansehen, wie ein großer Teil ihres Territoriums vom Erzbischof besetzt wurde.
Sie war aber auch eine resolute Frau. An König Rudolf wandte sie sich und bat um Hilfe und Gerechtigkeit. Dass Wilhelm IV. gute Beziehungen zum Königshaus hatte, wird von Vorteil gewesen sein. Auch die Unterstützung des Jülicher Adels und wohl auch des Hauses Geldern half ihr. 1279 kam es in Pingsheim bei Nörvenich an der heutigen Alfons-Keever-Straße, der damaligen Grenze zwischen Jülich und Köln, zu einem Treffen und Vertragsabschluss. Am 14. Oktober erhalten Ricarda und ihre Söhne die Zusage, dass die Kölner Truppen abziehen und sie Kaster wieder aufbauen dürfen. Dank ihrer Entschlossenheit kann Ricarda als Retterin von Kaster bezeichnet werden. Im schlimmsten Fall wäre Kaster verfallen und mit der Zeit verschwunden. So konnte Kaster in jahrelanger Arbeit wieder aufgebaut werden.
Ihr Sohn Gerhard (von Kaster) wurde bei der Erbteilung mit Kaster abgefunden. Die Burg wurde wieder aufgebaut und die Zerstörungen im Ort nach und nach beseitigt. Der Ort konnte sich entwickeln und schon 1283 hatte Gerhard seine ehrgeizigen Pläne so weit vorangetrieben, dass Kaster von der Regierungsgewalt Jülich unabhängig war. Unter seiner Herrschaft blühte Kaster auf und wurde zur Stadt erhoben. 1288 gelang es Gerhards Bruder, Graf Walram, durch seine Teilnahme an der siegreichen Schlacht bei Worringen, die Unabhängigkeit Jülichs von den Kölner Erzbischöfen endgültig zu sichern.
Ricarda lebte vermutlich die letzten Jahre auf Burg Kaster, nachdem ihr Sohn Walram die Regentschaft übernommen hatte. Ihr Grab wird in der Pfarrkirche St. Johannes Baptist in Nideggen vermutet, wo auch ihr Gemahl begraben sein soll.
Urkunde von Ricarda aus dem Jahr 1288 mit ihrem Siegel
© Das digitale Historische Archiv Köln
Der Kasterer Markt ist erst um 1500 nachweisbar. Es ist aber davon auszugehen, dass es bereits seit dem 14. Jahrhundert einen Markt gab, auch wenn dies nicht schriftlich belegt ist. Der Arbeitskreis Altstadt Kaster e.V. veranstaltet seit 2006 den Ricarda Markt und hält damit die Geschichte Ricardas lebendig.
Hinweis: Zum Sohn Gerhard von Kaster gibt es diesen Artikel
Gerhard von Kaster