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Gerhard von Kaster griff zur Jülicher Krone



Heinz-Toni Dolfen




Nach dem Schreckensjahr 1278, dem Jahr der Zerstörung der Burg und den Bränden im Ort, die die Truppen des Kölner Erzbischofs Siegfried von Westerburg verursachten, ging es einige Jahre später in Kaster wieder aufwärts. Nach dem Tod des Vaters wurde Gerhard mit Kaster abgefunden, da er nicht der Erstgeborne war. Die Burg wurde erneut aufgebaut und die Zerstörungen im Ort behob man nach und nach. Der Ort konnte sich entwickeln und schon 1283 hatte Gerhard seine ehrgeizigen Pläne so weit getrieben, dass Kaster unabhängig von der Jülicher Herrschaft war. Unter seiner Regentschaft erblühte Kaster und wurde zur Stadt ernannt.

Wer war nun dieser Gerhard von Kaster? Seine Mutter, Richarda von Geldern, hatte nach der Zerstörung der Burg in einem Friedensvertrag (Pingsheimer Friede) mit dem Kölner Erzbischof im Jahr 1279 die Erlaubnis zum Wiederaufbau von Burg und Stadt Kaster ausgehandelt. Anwesend bei den Verhandlungen waren ihre minderjährigen Söhne Walram, Otto und Gerhard. Dieser Gerhard nannte sich im Jahr 1287 erstmals Herr von Kaster. Richarda war mit dem Grafen Wilhelm IV. von Jülich verheiratet. Somit war Gerhards Nennung Gerhard von Jülich, Herr zu Kaster. Der Graf Wilhelm hatte, soweit uns bekannt, zwölf Kinder. Alle fünf Söhne und vier Töchter sind aus der Ehe mit Richarda hervorgegangen. Bei den restlichen drei Töchtern, ist der Name der Mutter nicht überliefert. Nicht zu klären ist, ob Wilhelm schon früher einmal verheiratet war.

Graf Wilhelm IV. von Jülich war ein erklärter Gegner der Kölner Erzbischöfe und lag mit diesen in diversen Streitigkeiten. Um 1263 hatte er Kaster in das Jülicher Hoheitsgebiet eingebracht. Zusammen mit Bergheim bildeten diese beiden Orte eine Pufferzone zwischen Jülich und dem Gebiet der Kölner Erzbischöfe. Diese Zone war auch durch den Grenzfluss Erft gut zu kontrollieren und zu verteidigen.

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Der Graf wollte im Jahr 1278 für seinen König in Aachen Steuern eintreiben. Deshalb ritt er mit einem Trupp Gefolgsleute und seinen Söhnen Wilhelm und Roland nach Aachen. Eine Überlieferung besagt, dass er versucht habe die Stadt in seine Gewalt zu bekommen. Es gab einen Aufstand und dabei soll der Graf von einem Schmied erschlagen worden sein. Das Brunnendenkmal in der Aachener Innenstadt mit der Statue des wehrhaften Schmieds erinnert daran. Ob es so war sei dahingestellt. Sicher überliefert ist, dass Wilhelm IV. im Tumult erschlagen wurde und seine beiden Söhne fanden in diesem Scharmützel den Tod. Dieses Machtvakuum nutzte der Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg sofort aus, und fiel ins Jülicher Land ein. Dabei kam es zu oben erwähnten Schäden in Kaster.

Die Jülicher Grafenkrone war somit unbesetzt und die Nachfolger, die ältesten Söhne, waren in Aachen tot geblieben. Eine gefährliche Machtleere war entstanden, es musste also schnell gehandelt werden. Vorerst vertrat Richarda das Grafenhaus Jülich, auch weil ihre verbliebenen Söhne noch nicht volljährig waren. Die Adligen aus dem Jülicher Land unterstützen sie, aber es war auch klar, dass die Adligen einen starken Mann an der Spitze sehen wollten. Zudem hatte der Kölner Erzbischof noch ein Wort mit zu reden.

Unter den Brüdern begann der Wettbewerb um die Grafenkrone. Walram, der eigentlich Propst von Aachen war, stellte 1278 Ansprüche auf den Chefposten des Hauses Jülich. Im Jahr 1283 wurde Walram nun der neue Graf von Jülich. Gerhard hatte auch zurückgesteckt, weil er vom Kölner Erzbischof keine Anerkennung fand. Da Walram im geistlichen Stand und unverheiratet war, so dachte sich Gerhard, fiel ihm später als Erbe der Grafentitel zu.

Im Jahr 1291, also vor 730 Jahren, fiel nun eine Entscheidung, die Gerhard nicht bedacht hatte. Sein Bruder Walram entledigte sich im Februar des Jahres seiner Probstwürde und war nun frei für alle weltlichen Segnungen, das heißt er konnte nun auch eine Familie mit Nachkommen gründen.
Gerhard legte seine abwartende Haltung ab und ging in die Offensive. Das Verhältnis der beiden Brüder war nun äußerst angespannt. Ja, die Lage war so brisant, dass es jederzeit zu einem Bruderkampf kommen konnte.

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Gerhard suchte sich Verbündete. Zum Beispiel sollte der Ritter Dietrich von Rheinbach ihm bei seinem Streit mit dem Hause Jülich mit Rat und Tat zur Seite stehen. Dafür sollte Dietrich laut Vertrag ein Lehen und zusätzlich 4000 Mark erhalten. Zudem versuchte er über Gebietszukäufe seinen Machtbereich und seinen Einfluss zu vergrößern. Natürlich brauchte er auch Geld um mit Walram mithalten zu können. Dazu wurde er Edelbürger der Stadt Köln. Die Stadt Köln benötigte im Streit mit seinen Erzbischöfen Verbündete und schloss mit regionalen Herrschern einen Beihilfepakt. Sie machten diese zu Edelbürgern mit der Verpflichtung der Stadt im Falle eines Konflikts zu helfen. Dafür erhielten die Edelbürger eine Vergütung. Gerhard schloss mit Köln einen Vertrag, die Kölner Handelsleute auf seinem Territorium zu schützen. Gegen 2400 Mark, die jedes Halbjahr zahlbar waren, stellte Gerhard 50 Bewaffnete für diese Aufgabe zur Verfügung.

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Aber auch Graf Walram wappnete sich. Er versöhnte sich mit seinem Vetter, Walram II. von Bergheim. Ein Ort im Einflussbereich des Grafen, der in direkter Schlagdistanz zu Kaster lag. Walram II. von Bergheim gehörte zudem zu den Edelbürgern von Köln, was wiederum die Stadt Köln in einem Konflikt neutralisierte.
Im fortgeschrittenen Alter trug sich der Graf Walram von Jülich mit Heiratsabsichten. Vor dem Jahr 1294 war es soweit, er heiratet Maria von Brabant. Gerhard war Witwer und zwei Jahre nach seinem Bruder heiratet auch er wieder. Er verehelichte sich mit der jüngeren Schwester der Ehefrau seines Bruders Walram, Elisabeth von Brabant. Man vermutet nun, dass diese Vermählung den Bruderkrieg verhinderte und für Entspannung sorgte.

Unerwartet verstarb dann am 12. Dezember 1297 Graf Walram von Jülich. Als Nachkomme hinterließ er einen Sohn, der Wilhelm hieß und noch sehr jung war. Er wäre nun formell der rechtmäßige Nachfolger auf den Grafentitel gewesen. Gerhard sah seine Zeit gekommen und handelte schnell und entschlossen. Die Jülicher Ritterschaft konnte er hinter sich bringen, denn sie waren auch an einer starken Führung interessiert. Ein minderjähriger Knabe auf dem Thron regiert und bevormundet von einem Verwalter, das war nicht in deren Interesse. So übernahm Gerhard sofort die Herrschaft von Jülich. Lediglich das Haus Brabant hätte noch eingreifen können. Aber sie mischten sich nicht ein. Da Gerhard auch Nachkommen hatte, waren die Interessen des Hauses Brabant so oder so gewahrt.

Gerhard von Kaster konnte am Ende des Jahres 1297 die langersehnte Jülicher Grafenkrone erlangen. Diese behielt er bis zum Tode im Jahr 1328, als Graf Gerhard V. von Jülich. Seine Frau Elisabeth erhielt Kaster als Witwensitz und damit konnte die Selbständigkeit Kaster noch weiter bestehen. Graf Walrams Sohn Wilhelm kam ins Gefolge des Königs Heinrich VII., aus dem Hause Luxemburg. Mit dem König zog er in einen Italienfeldzug, wo er vermutlich 1311 starb.

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Literatur:
Andermahr, Heinz: Graf Gerhard VII. von Jülich (1297-1328)
Andermahr, Heinz: Bergheim. Geschichte einer rheinischen Stadt
Andermahr, Heinz: Die Edelherren von Bergheim aus dem Jülicher Grafenhaus (1231-1335)
Andermahr, Heinz - Depcik, Uwe: Geschichte der Stadt Kaster. Von den Anfängen bis zur kommunalen Neugliederung 1975
Annalen des histor. Vereins für den Niederrhein Heft 23
Ennen: Quellen zur Geschichte der Stadt Köln
Herrmann, Alfred: Zur Geschichte des Herzogtums Cleve
Lacomblet: Urkundenbuch
Meyer, Gisela: Graf Wilhelm V. von Jülich. Markgraf und Herzog (1328-1361)