Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.
(Talmud)
Konrad Bludau
Mit dieser Einstellung verlegte der Künstler Gunter Demnig am Mittwoch, dem 05.06.2024 einen Stolperstein zur Erinnerung an die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgte und deportierte Jüdin Jeannette Steinmann geb. Salm, die am 15. Juni 1942 ihr Wohnhaus in Alt-Kaster, Wallstrasse 71 gewaltsam verlassen musste und mit 961 weiteren Jüdinnen nach Theresienstadt deportiert wurde. Dort verstarb sie am 5. November 1942 im Alter von 77 Jahren.
Gunter Demnig
Gunter Demnig und Bürgermeister Sascha Solbach
Steinverlegung
In Anwesenheit des Bürgermeisters Sascha Solbach, der eine würdigende Ansprache zum Gedenken an die verschleppten, ermordeten oder in den Selbstmord getriebenen Juden durch die unrechtmäßigen Handlungen von Mitgliedern der damaligen NSDAP vortrug, hatten sich ca. 30 Personen an Ort und Stelle bei der Verlegung des Stolpersteins eingefunden. Darunter 15 Schülerinnen und Schüler des diesjährigen Abiturjahrganges.
Die Elternschaft des Bedburger Silverberg-Gymnasiums hatte den Stolperstein dem Abiturjahrgang geschenkt. Der Jahrgangsstufensprecher Jannis Buschmann sagte: „Man hat uns ein Stück Verantwortung geschenkt. Das ist viel besser als Geld oder materielle Werte.“ Die Zeremonie endete sehr bewegend: Daniel Lemberg von der Synagogengemeinde Köln und Verwalter der jüdischen Friedhöfe im Kölner Raum sprach ein Gebet für die Opfer des Holocaust. Zuvor berichtete der Stadtarchivar Bastian Moeller von Steinmanns verstörendem Schicksal.
Bürgermeister Sascha Solbach bei der Ansprache
Die Geschichte der Jeanette Steinmann von Bastian Moeller.
Der gerade verlegte Stolperstein erinnert ab dem heutigen Tag an Jeanette Steinmann und ihren gewaltsamen Tod im Holocaust.
Geboren wurde sie als Jeanette Salm am 1. März 1865 in Frimmersdorf.
Bastian Moeller
1888, im Alter von 23 Jahren, heiratete sie den Metzger Moses Schmitz aus Köln-Ehrenfeld.
Ihre Lebensspur können wir erst in den 1920er-Jahren wieder aufnehmen, als sie sich zusammen mit ihrem zweiten Ehemann Josef Steinmann – wohl aus den USA kommend – in Kaster niederlässt.
Josef Steinmann stirbt 1935 im Alter von 78 Jahren und liegt auf dem jüdischen Friedhof in Bedburg begraben, unter der Grabsteininschrift: Ruhestätte der Eheleute Steinmann – in der Erwartung, dass er und seine Frau dort eines Tages nebeneinander ihre letzte Ruhe finden würden. Doch es kam anders.
Kaster, 1942: Jeanette Steinmann ist die einzige Jüdin hier. Ihr Haus darf sie ohne „Judenstern“ nicht mehr verlassen, öffentliche Verkehrsmittel ohne polizeiliche Erlaubnis nicht nutzen. Im Agatha-Tor tagt die Hitlerjugend. Laut Mitgliederliste der Ortsgruppe Kaster, zu der auch Königshoven und Pütz gehören, hat die NSDAP in den drei Gemeinden in diesem Jahr 268 Mitglieder.
Mitte Juni 1942 erreicht ein Befehl der Gestapo Köln die Bezirksregierungen im Umland: Sie sollen Jüdinnen und Juden zur Deportation versammeln.
Jeanette Steinmann wird am Folgetag von hier, wo wir jetzt stehen, abgeführt. Ein Eintrag auf ihrer Einwohnermeldekarte dokumentiert das: „Gestapo abtransportiert“. In den Messehallen in Köln-Deutz werden alle zur Deportation versammelt. Ihre Wertgegenstände werden konfisziert, ihre Unterschrift unter eine Besitzabtretungserklärung zugunsten des Deutschen Reichs erzwungen.
Jeanette Steinmann wird am 15. Juni zusammen mit 961 weiteren Jüdinnen und Juden im Alter zwischen vier und 89 Jahren im ersten Sonderzug von Köln nach Theresienstadt deportiert. Den Holocaust überlebten davon 37 Menschen.
Im KZ Theresienstadt sterben im Herbst 1942 aufgrund von Unterernährung und hygienischen Missverhältnissen durch eine massive Überfüllung des Lagers mehr als 100 Menschen täglich.
Jeanette Steinmann stirbt dort am 5. November 1942 im Alter von 77 Jahren.
Stolpersteinverlegung am 05.06.2024 in Kaster
Fotos: Heinz-Toni Dolfen